Lastwagen: in einem Jahr von 0 auf 100

Das Jahr 2025 stand für mich im Zeichen der Nutzfahrzeuge. Während sich ein Auftraggeber (Camion Transport AG) mit Transport und Logistik befasst, ist der andere (LARAG AG) für die Fahrzeugtechnik zuständig. Zum 100- beziehungsweise 75-jährigen Bestehen durfte ich für beide Firmen eine Chronik erstellen – eine intensive Auseinandersetzung mit den schweren Automobilen.

Europa war in den 1920er-Jahren mit dem wirtschaftlichen Wiederaufbau nach dem Ersten Weltkrieg beschäftigt und der industrielle Fortschritt führte zu einer verstärkten Produktion von Waren. Um Versorgungssicherheit zu gewährleisten und Schwankungen auszugleichen, gewannen Lagerhaltung und Logistik an Bedeutung. Was dies mit Lastwagen zu tun hat? Nun, 1925 erfolgte die Gründung der Lagerhaus AG Wil. Und aus ihr gingen später sowohl die Camion Transport AG als auch die LARAG hervor.

Der erste Lastwagen, den die Lagerhaus AG Wil im Jahr 1928 anschaffte, war ein benzinbetriebener Saurer mit einer Nutzlast von fünf Tonnen. Der Treibstoffverbrauch war nicht eben klein: Der Brummi schluckte durchschnittlich 44 Liter pro hundert Kilometer!

Bald löste der Diesel das Benzin als Lastwagen-Treibstoff ab. Während des Zweiten Weltkriegs mussten allerdings etliche Fahrzeuge zu sogenannten Holzvergasern umgerüstet werden, da schlicht kein flüssiger Treibstoff vorhanden war. Zu den Aufgaben des Mitfahrers – damals war man meist zu zweit unterwegs – zählte das Nachlegen des Holzes. So wurden die Mitfahrer fortan "Heizer" genannt.

Im Laufe der Zeit wurden die Lastwagen und Anhänger immer länger, breiter und höher. Nach Kriegsende kamen in der Schweiz die Frontlenker-Lastwagen auf und lösten allmählich die bisherigen Hauben-LKW ab. Die Frontlenker ermöglichten dem Fahrer, der nun ganz zuvorderst sass (das Steuer war noch rechts, wie das Bild zeigt!), eine bessere Sicht. Auch sonst erwiesen sie sich als praktisch, da deutlich mehr Platz für die Ladebrücke blieb. 

 

All dies und noch viel mehr erfuhr ich während der Chronik-Erstellung für die hundertjährige Camion Transport AG, welche den alten Namen Lagerhaus AG übrigens nach genau einem halben Jahrhundert abgelegt hat und heute zu den leistungsstärksten Transport- und Logistikunternehmen der Schweiz gehört.

Hübsch gemacht, aber nicht perfekt: Der Apfelbaum im Isometric Design, generiert von Midjourney. Die Holzharassen bedürfen bei genauer Betrachtung noch einer Überarbeitung.

Von den Recherchen über die Ursprünge der Camion Transport AG profitierte auch ihre Schwesterfirma, die LARAG, die im Jahr 1955 als "Lastwagen-Reparaturen AG" aus der Lagerhaus AG Wil hervorging. Seit 1935 war sie eine eigene Abteilung innerhalb des Unternehmens gewesen. Als 1950 Josef Jäger senior seine Arbeit für die Reparaturabteilung aufnahm, drängte er rasch auf die Gründung einer eigenen Firma, weshalb die LARAG heute das Jahr 1950 als ihren Anfang sieht und 2025 ihr 75-Jahr-Jubiläum feiert.


Besondere Bekanntheit erlangte die Firma in den 1990er-Jahren, als sie gemeinsam mit Mercedes-Benz die Renntruck-Europameisterschaft dominierte. "1600 PS – Die stärksten Brummis der Welt kommen aus Wil", titelte etwa der Sonntagsblick 1993. Heute gilt die LARAG als führendes Unternehmen in der Nutzfahrzeugtechnik – ob Verkauf, Reparaturen oder Unfallinstandstellung/Abschleppdienst. 

Mit den Elektroautos namens LAREL leistete die LARAG in den 1980er-Jahren Pionierarbeit – doch die Zeit war noch nicht reif. Heute ist das anders: Elektrofahrzeuge sind in aller Munde. LARAG und Camion Transport (beide Teil der Jäger Holding AG und zu 100 Prozent im Besitz der Familie Jäger) setzen jetzt auch im Nutzfahrzeugbereich auf elektrische Antriebe.

 

Hübsch gemacht, aber nicht perfekt: Der Apfelbaum im Isometric Design, generiert von Midjourney. Die Holzharassen bedürfen bei genauer Betrachtung noch einer Überarbeitung.

Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind zwei Schlagworte der Gegenwart. Sie finden sich in keinem der Sitzungsprotokolle aus den 1920er-, 1930er oder 1940er-Jahren, die ich während Wochen durchstöberte. Eine spannende Arbeit, bei der ich selbst profitieren durfte. "Neues über Altes erfahren" und "aus der Geschichte lernen" sind zwei Gründe, warum ich meine Tätigkeit als Autor von Firmenchroniken so mag. Es ist eine Arbeit, die Zeit braucht: in einem Jahr von 0 auf 100 – um es im Automobil-Jargon auszudrücken.

 

Roger Häni
Firmenchronik Schweiz

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