Winter an der Thur? Namensforscher sind keine Idioten!

Was ich an meiner Arbeit als Chronist am meisten mag? Dass ich jeden Tag etwas dazulerne! Bei einer Recherche im Dunstkreis von Winterthur etwa ging ich dem Stadtnamen auf den Grund. Die naheliegende Deutung, dass mit «Thur» der Fluss gemeint sei, kam kaum in Frage: Die Thur fliesst rund zehn Kilometer nördlich von Winterthur in Richtung Rhein. Winterthur wird ja vielmehr Eulachstadt genannt. Ausserdem grenzt Winterthur an das Tösstal. Und als dritter Fluss durchfliesst der Mattenbach das Stadtgebiet.

 

Hmmm…

Ist mit «Winterthur» vielleicht «hinter der Thur» gemeint? Wobei ja aus Sicht der Zürcher der Thurgau «hinter» der Thur liegt... Oder zogen eines Winters Siedler von der Thur südwärts? Fragen über Fragen.

Hübsch gemacht, aber nicht perfekt: Der Apfelbaum im Isometric Design, generiert von Midjourney. Die Holzharassen bedürfen bei genauer Betrachtung noch einer Überarbeitung.

Silhouette der Stadt Winterthur  ihr Name könnte auch Weidentor lauten.

Antworten liefert das Lexikon der schweizerischen Gemeindenamen sowie ortsnamen.ch, das sehr umfangreiche Portal des Schweizerischen Idiotikons. Dahinter stecken übrigens keine Idioten, sondern Forscher der Schweizer Mundart und eben auch der hiesigen Orts- und Flurnamen. Nebenbei bemerkt: Das schweizerische Idiotikon betreibt auch ein nützliches Portal zur Familiennamenforschung (familiennamen.ch).

Doch zurück zu den Ortsnamen, konkret zu Winterthur. Tatsächlich gab es in der Vergangenheit (und heute noch) viele Deutungsversuche zum Namen der Stadt. Eine Theorie lautet, dass «Thur» der ursprüngliche Name der Eulach war. Diese Theorie wird jedoch als sehr unwahrscheinlich angesehen.

Wer war Uito?

Erste, wenn auch nur spärliche Funde auf Winterthurer Gemeindegebiet gehen auf die Bronzezeit, also möglicherweise über 2000 Jahre vor Christus zurück. Der erste schriftliche Beleg zu Vitudurum, so die damalige lateinische Schreibweise, datiert ca. aus dem Jahr 280 nach Christus.

 

Da die Bevölkerung in der römischen Zeit hauptsächlich aus romanisierten Keltinnen und Kelten bestand, vermutet die Forschung folgende ursprüngliche keltische Schreibweise: Uitódurō – zusammengesetzt aus Uito (Weide, ev. auch ein Personenname) und durōn (Tür, Tor, möglicherweise auch Engpass, Hof, Marktplatz oder Einfriedung). Winterthur bedeutet also «Weidentor, Weidenhof, aus Weidenzweigen geflochtene Einfriedung», vielleicht aber auch «Marktflecken des Uito».

Wie so viele Ortsnamen hat sich auch jener der zweitgrössten Zürcher Stadt im Laufe der Jahre verändert. Und so ist aus Uitódurō und Vitudurum das ähnlich klingende, aber leichter zu schreibende Winterthur geworden.

«Winti», wie es liebevoll von seinen Einwohnerinnen und Einwohnern genannt wird, ist also weder besonders winterlich, noch steht es im Zusammenhang mit dem Fluss Thur. Wieder etwas gelernt!

 

Roger Häni, Firmenchronik Schweiz

Bild: Adobe Stock/SimpLine

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