Nonstop Jubiläum feiern? Nonsens!

Nennt mich Besserwisser, Traditionalist oder Tüpflischiisser. Aber als Kommunikationsfachmann und Chronist kann ich nicht anders: Ich muss auf diesen Missstand hinweisen. In der heutigen Zeit von Social Media, in der sich fast alle auf der Spielwiese der Kommunikation tummeln, voneinander abschreiben und Texte generieren lassen, werden verständlicherweise auch Fehler übernommen.

 

Vor einigen Jahren begegnete mir die ominöse Formulierung, die mich so stört, nur vereinzelt. Dann immer öfter. Mittlerweile sind selbst renommierte Kommunikationsagenturen auf diesen falsch fahrenden Zug aufgesprungen. Und nun kapituliert offenbar sogar der Duden. Die «deutsche Sprachbibel» schreibt auf ihrer Website: «Im Grunde ist es falsch, .... diese Fügung hat sich jedoch so sehr eingebürgert, dass sie nicht mehr als falsch anzusehen ist.» Ernsthaft jetzt?

Schleichende Verrohung der Sprache

Wovon ich die ganze Zeit spreche? Vom x-jährigen Jubiläum. Wohin ich schaue, lese ich nur noch: «Wir feiern unser 20-jähriges Jubiläum», «wir sind stolz auf unser 50-jähriges Jubiläum» oder «zum hundertjährigen Jubiläum haben wir uns etwas ganz Besonderes einfallen lassen». Was auf den ersten Blick harmlos erscheinen mag, ist ein Symptom der schleichenden Verrohung der deutschen Sprache.

 

Warum ist «20-jähriges Jubiläum» falsch? Die Formulierung bedeutet, dass das Jubiläum (= der Jahrestag) selbst so lange dauert. Dass die die Firma oder Institution also während 20 Jahren feiert und jubelt.

 

Nonstop feiern? Welch ein Nonsens! Richtig ist: Ein Jubiläum ist ein jährlich wiederkehrendes Ereignis, das in der Regel aber nur bei einer runden Jahreszahl gefeiert wird, also zum Beispiel nach zehn, zwanzig oder hundert Jahren. Die Alternativen «20-Jahr-Jubiläum», «20. Jubiläum» oder «20-jähriges Bestehen» mögen nicht unbedingt eleganter sein, doch sind sie sprachlich präzise und deshalb klar zu bevorzugen.

 

Warum ich gerade auf der Schreibweise von Jubiläen herumreite? Da ich Firmenchroniken erstelle, bin ich fast täglich damit konfrontiert.

Hübsch gemacht, aber nicht perfekt: Der Apfelbaum im Isometric Design, generiert von Midjourney. Die Holzharassen bedürfen bei genauer Betrachtung noch einer Überarbeitung.

Wie konnte sich ein solcher Fehler in den professionellen Sprachgebrauch einschleichen? Es ist eines von vielen Beispielen, bei denen sich fehlerhafte Begriffe durch ständige Wiederholung etablieren – bis sogar der Duden sie irgendwann abnickt. Das Problem dabei ist: Mit jeder solchen Nachgiebigkeit verliert die Sprache an Präzision. 

Gratulation an Bastian Sick

Sprache entwickelt sich, das ist unbestritten. Doch wenn diese Entwicklung bedeutet, dass wir auf Klarheit und Logik verzichten, dann steuern wir in eine problematische Richtung. Ich finde: Kommunikationsfachleute sollten hier ein Vorbild sein.

 

Einer, der die Entwicklung der deutschen Sprache genau beobachtet und Missstände pointiert auf den Punkt bringt, ist der deutsche Journalist und Autor Bastian Sick. Vielleicht kennen Sie seine Buchreihe «Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod». Ich habe diese (Hör-)Bücher früher verschlungen und kann sie nur wärmstens weiterempfehlen. Die erste von mittlerweile sechs Folgen ist 2004 erschienen.

 

Ich gratuliere Bastian Sick an dieser Stelle zum 20-Jahr-Jubiläum als Buchautor. Natürlich darf er es so lange und ausgiebig feiern, wie er möchte!

  

Roger Häni, Firmenchronik Schweiz

Bild: Adobe Stock/Kamaga

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